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Die abenteuerliche Bootsfahrt

(Geschichte für das Editorial im Mitteilungsblatt der Gemeinde Kernenried, September 2021)

 

Ein langes und tiefes Aufatmen lässt Mäxli endlich wieder Luft kriegen und geistig in die reale Welt zurückzukehren. Er hat sich bereits im Mäusehimmel gesehen. Kurz vor der Brücke, welche über die Urtenen führt, hatte er am Strassenrand in der «Widmatte» ein weggeworfenes Sandwich gefunden. Dieses will er zu seiner Mäusefreundin Trixli bringen, welche am rechten Ufer der Urtenen im «Heidmoos» auf ihn wartet. Auf mittlerer Höhe der «ARA Holzmühle» marschierte der junge Mäuserich, das Eingeklemmte zwischen den Zähnen fixiert, zügig auf der schmalen Strasse bachabwärts, als ihm wie aus dem Nichts, ein harter Schlag das Sandwich aus den Festen seines Gebisses schlug. Das Vorderrad eines Elektroautos hatte ihn knapp verfehlt, ihm jedoch das erbeutete Nachtessen arg aus dem Mund geschlagen. Das leise Fahrzeug hatte er von hinten nicht kommen hören. Nachdem er die auf der Strasse verteilten Einzelteile des Eingeklemmten wieder zusammengesucht hat, springt er so schnell er kann in Richtung Trixli. Völlig erschöpft bei ihr am Bachufer angekommen, muss er zuerst wieder zu Atem kommen. Trixli zeigt im stolz ein grosses Stück Käse, nachdem er wieder Farbe im Gesicht hat und seine Schnauzharre nicht mehr schlaff nach unten hängen. Den Käse hat sie auf der Strassenkurve zwischen «Heidmoos und Chrummacher» gefunden. Wahrscheinlich ist dieser Leckerbissen einem Fahrradfahrer verloren gegangen.

 

Genau bis zu dieser Kurve marschieren die beiden Mäusefreunde mit ihrer Beute im Mund nun wieder zurück, weil sie ganz unten im Dorf am Bach in der «Müli» zuhause sind. Dies ist für beide sehr anstrengend und sie müssen eine kurze Pause einlegen. Während Trixli sich etwas hinlegt erkundet Mäxli instinktiv die nähere Umgebung am Uferrand. Nur einige wenige Schritte von Trixli entfernt findet er eine weggeworfene Früchteschale, welche aus Holz geschnitzt ist. Er ruft Trixli zu sich, um den Fund zu begutachten. Er rätselt wozu das Holzteil nützlich sein könnte. «Es könnte als Hütte im Freien dienen oder wir könnten damit noch mehr Lebensmittel nach Hause tragen», sagt er zu Trixli. Diese überlegt einen Moment und kommt schliesslich zum Schluss, dass das Stück Holz mit der Öffnung nach oben, wie ein Schiff aussieht. Sie könnten dieses doch als Boot benutzen und damit die Urtenen runterfahren. Dann müssten sie die gefunden Lebensmittel nicht mühsam über Stock und Stein nach Hause tragen.

 

Wie gedacht so getan. Die beiden wenden die verkehrt liegende Schale, legen die Esswaren hinein und stossen das ganze Werk die flache Böschung hinunter in die Urtenen. Hier ist der Bach dank der Renaturierung sehr breit und hat nur wenig Strömung. Flink springen die Beiden ebenfalls in die Schale und treiben langsam davon. Mit zwei Stück Holzrinde, welche der Biber liegen gelassen hat, rudern und lenken die jungen Mäuse ihr improvisiertes Boot ihrem Zeil entgegen. Nach einer grossen Linkskurve gelangen sie zwischen die links liegende «Hinderi Matte» und den rechts liegenden «Bergacher». In der «Hinderi Matte» sehen die beiden Mäuse ein grosses Maisfeld. Nach kurzer Besprechung legen die beiden am linken Ufer an und stossen ihr Boot auf die Uferböschung wo es sicher liegt. Eilig überqueren sie den Feldweg und verschwinden im hochgewachsenen Maisfeld. Hier hat ihnen der Biber bereits etwas Arbeit abgenommen und einige Maisgewächse gefällt, so dass sie nur noch ein Maiskolben ausschälen und vom Gewächs trennen können. Gemeinsam tragen die Zwei ihre neue Beute zu ihrem Boot und wassern anschliessend gekonnt wieder ein.

 

Plötzlich verspüren sie ein heftiges Flattern von oben und erschrecken kurz darauf mit Todesangst, weil ein Mäusebussard sie unerwartet auf dem Boot attackiert. Mit viel Glück können sie den Fängen des Raubvogels ausweichen, welcher auf dem Wasser keinen Halt findet um nach den beiden zu greifen. Erneut holt er jedoch Anlauf aus der Luft und stürzt sich wieder auf die beiden zu. Mit aller Kraft rudern die beiden zum Ende des «Bergacher», wo eine Feldweg den Übergang zum «Zilisacher» macht. Dieser Flurweg führt dann auch über eine kleine Brücke auf die linke Uferseite. Genua diese Brücke ist das angestrebte Ziel der beiden Flüchtenden. Sie wollen sich unter der Brücke den Fängen des Vogels entziehen und verstecken. Dies Taktik geht für die Mäuse glücklicherweise auf. Bevor der Mäusebussard die beiden nochmals angreifen kann, verschwinden sie unter dem Bauwerk und der Greifvogel muss ohne Mahlzeit abwenden. Unter der Brücke halten sie sich an einer aus dem Gemäuer wachsenden Wurzel fest und stoppen so ihre Bootsfahrt für einen Moment. Nach ein paar Umkreisungen aus der Luft gibt der Mäusebussard schliesslich auf und verzieht sich in Richtung Wald.

 

Die abenteuerliche Fahrt der Beiden wird nun wieder fortgesetzt. Sanft gleiten sie nun in eine starke Rechtskurve neben einer kleinen Häusergruppe vorbei und gelangen in das rechts liegende Gebiet der «Matte» und des «Rainacher». Längere Zeit und auf schnurgerader Strecke gelangt die Bootsfracht so bis zum Anfang der «Hofmatt», wo ein Weg vom «Bodenacher» rechtwinklig auf die Uferböschung trifft. Hier legen die beiden wiederum an, weil sie am Wegrand des «Bodenacher» einen Apfel in einem Erdloch deponiert und versteckt hatten, als sie bachaufwärts nach Nahrung suchten. Diese Frucht wollen sie ebenfalls sicher nach Hause zu ihren Vorräten bringen. Doch als das Paar den Apfel verladen will, stossen sie das Boot ungewollt zurück in die Strömung und die Holzschale nimmt ohne Besatzung Fahrt auf.

 

Schnell springen die beiden hinter ihrem Boot her und versuchen es schwimmend einzuholen. Erst auf der Höhe der «Steibille», nach einer erneuten Rechtskurve, erreichen sie ihr Holzschalenboot. Es gelingt den beiden jedoch nicht dieses aus dem Wasser zu stoppen oder zu besteigen. Beim «Gygerhüsli» kracht das behelfsmässige Schiff in einen Ast mit vielen Blättern, welcher von einem Baum abgeknickt ist und in das Wasser ragt. Über die Äste können nun Mäxli und Trixli wieder auf ihr Boot steigen. Kaum darauf Platz genommen, rumpelt es an ihrem Boot.

 

 

Der vermeintlich verloren gegangene Apfel ist ebenfalls in die Urtenen gerollt und etwas langsamer bachabwärts bis zu den Ästen getrieben worden. Auf beiden Seiten fassen die zwei Mäuse die Frucht und es gelingt ihnen, nach mehrmaligen Versuchen, den Apfel sicher an Bord zu bringen. Nun befreien sie ihr Schiff von den Ästen und die Fahrt geht weiter ihrem Ziel entgegen. Entlang des «Burgweg», vorbei beim «Brächhütteweg» und dem dem «Mösli» entlang kommen sie nach einer abenteuerlichen Essenssuche wieder nach Hause zur «Müli». Kurz vor dem ersten Haus und der grossen Kanalmauer hat es einen natürlichen Einstieg in die Urtenen. Hier legen die beiden an und bringen ihre Beute in die Scheune, wo sie mit ihren Familien zusammen leben, in Sicherheit. Das Boot verstecken sie im naheliegenden Gebüsch. Die beiden jungen Mäuse Trixli und Mäxli sind sich einig, dass dies nicht die letzte Bootsfahrt mit der Fruchtschale gewesen ist.

 

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