z'Charrli aus Kernenried

(Editorial Mitteilungsblatt Kernenried Novmenger 2019)

 

Es rumpelt und poltert durch das Hüsligässli zügig Richtung Dorfstrasse, als würde ein Schwadron Kavalleriepferde durch das Strässchen ziehen. Das «Charrli», ein selbst gebasteltes Holzgefährt mit alten rostigen Eisenrädern, wurde einst vor vielen duzend Jahren von Bauern gebraucht, um ein Süssmostfässchen und Znünibrote mit auf die Felder zu bringen. Heute wird dieses nur noch selten von Kindern für allerlei spielerische Schandtaten missbraucht oder hat eben darin seine neue Berufung gefunden.

Glück gehört dazu. Das «Charrli» donnert, ohne nur einen Anschein eines Abbremsens zu machen, in die Dorfstrasse und mit knarrendem Schwung gegen das Schulhaus zu. Auf Höhe Eichelacherstrasse, welche zum Schützenhaus führt, hat sich das Gefährt beinahe wieder zum Stillstand abgebremst. Die beiden Jungs, vorher noch vorwitzig knieend im «Charrli», ziehen dieses an einem «Chauberhäuslig» nun gemeinsam bis zur Hauptstrasse.

 

Dabei, auf Höhe der Gemeindeverwaltung, überholt das «Charrli» einen schnittigen mit gelben Verzierungen bestückten und sportlich wirkenden Kinderwagen mit drei kleinen Rädern, wovon das einzelne Vorderrad nervös hin und her springt. Das «Charrli» spottet höhnisch, «Bist Du zum ersten Mal auf der Strasse, dass Du so langsam unterwegs bist und mit deinem Rad zitterst? Mit vier Rädern wärest Du viel flotter und ruhiger unterwegs». Das moderne Gefährt erwidert etwas hochnäsig lachend, «Dafür bin ich viel beweglicher und mache nicht einen Lärm wie zehn beschlagene Pferde». Ob das «Charrli» dies noch hörte, ist nicht sicher und hätte es auch nicht interessiert.

 

Bei der Althaus AG auf dem roten Trottoir trifft die Wanderschaft auf eine verbeulte und schmutzige «Garette», welche auf ihren knochenharten Arbeitseinsatz wartet. Sie ist gefüllt mit nigelnagelneuen «Bsetzisteinen» die schwer in der schwarzen Stahlwanne liegen und offensichtlich auf ihre Bestimmung am Strassenrand warten. «Was machst Du hier», fragt das «Charrli» neugierig. «So etwas wie dich, habe ich noch nie gesehen». «Gleichfalls», erwidert die Schubkarre spöttisch, mit einem tiefen Seufzer und ergänzt, «Ich verteile hier die Granitblöcke am Strassenrand». «Das muss eine widerliche Arbeit sein», meint das «Charrli» fast etwas mit Bedauern. «Es geht schon. Ich habe einen breiten dicken Pneu, der mir das schwer beladene vorwärtskommen unheimlich erleichtert. Zudem bin ich sehr kräftig gebaut.», rechtfertigt sich die «Garette». Nun etwas bewundernd, meint das Eisenradgefährt, «Ich könnte dies nicht und würde unter mir zusammenbrechen».

 

Unterdessen hat auch der pickfeine Kinderwagen wieder aufgeholt und bleibt auf dem roten Trottoir ruckartig vor den beiden quatschenden Karren stehen. «Macht Platz ihr ungepflegten und schmutzigen Schandflecken für alles was Räder hat», moniert das edle Gefährt verachtend. Das «Charrli» rückt ohne Worte beiseite und bevor sich die «Garette» auch bewegen konnte, rollt der auffällige Kinderwagen knapp am Strassenrand entlang und auf sanften Rädern stolz weiter. Wobei sich das einzelne Vorderrand nun auf dem flachen Trottoir und dem feinen roten Belag gerade hält und nicht mehr nervös von einer zur anderen Seite springt. Die beiden beleidigten Arbeitskarren, schauen dem Kinderwagen ohne Worte nach. Dieser überquert nun die tief aufgerissene erdige und steinige Hauptstrasse. Das Vorderrad verfällt dabei erneut in einen unkontrollierten Tanz und muss schliesslich angehoben werden, um nicht stecken zu bleiben. Auf den Zuruf der «Garette», «ein paar Schritte weiter drüben, wäre eine Überquerung, die einfach zu befahren ist», erfolgt keine Antwort.

 

Ungefähr in der Mitte der Strassenbaustelle arbeitet unter dem Lärm von Kompressoren ein merkwürdiges kleines «Fahrding» mit vier mächtigen Pneurädern und einer Art Fässchen oben drauf. Der sichtlich genervte Kinderwagen versucht rasch an dem stinkenden und rauchenden Ungetüm vorbei zu kommen, was in dem unwegsamen Gelände für das ungeeignete Wägelchen äusserst schwierig ist.

 

Kaum sind die beiden Fahrzeuge auf gleicher Höhe, ertönt plötzlich ein lautes Brummen und Ploppen und aus einem der Schläuche, welche am dampfenden Gefährt angebracht sind, spritzt unkontrolliert schwarzer klebriger Teer. Im Umkreis von mehreren Metern ist nun alles mit der klebrigen Masse verspritzt. Die beiden beobachtenden und immer noch auf dem Trottoir stehenden Karren, staunen nicht schlecht und können sich das schadenfreudige laute Lachen nicht verkneifen. Der hochnäsige und arrogante Kinderwagen ist von oben bis unten vollgespritzt.

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