(Editorial Mitteilungsblatt Kernenried November 2018)
Dicker und feuchter Nebel zieht sich von der Urtene im Zilisacher bis rüber in’s Mösli und verharrt bis über den Rütihoger zum Büel, wo sich das in der Luft liegende Wassergebilde im Oberholz scheinbar festkrallt. An der Urtene im Bodenacher löscht sich eine junge Amsel den Durst. Immer wieder unterbricht diese ihre Verpflegung und schaut mit hektischen Blicken in alle Richtungen um sich. In der kalten und düsteren Umgebung fühlt sich das Federtier am Boden unsicher und von unsichtbaren Feinden bedroht. Ob dem so ist, ob irgendwo ein schlauer Fuchs oder eine flinke Katze auf ihre nächste Beute lauert, bleibt hier eine offene Frage. Denn im nächsten Moment ist das Tier mit der Unsicherheit und Angst überfordert und verliert die Nerven. Der kleine Vogel springt ruckartig hoch, breitet seine Flügel weit aus und befördert sich mit kurzen und raschen Schlägen in die undurchsichtige Höhe des Nebels. Wie von einem Radarsystem durch die Nacht geleitet fliegt die Amsel dem vom Nebel verborgenen Weg entlang bis hinauf zum Halenacher. Hier setzt er sich leise und bestimmt auf den Baum, welcher in der Flucht des Dornacherweg steht. Nach einer kurzen Verschnaufpause bemerkt er den auf dem Nachbarast sitzenden Buntspecht. Dieser hat sich dem unfreundlichen Wetter trotzend aufgebläht und ist froh, nicht Reissaus nehmen zu müssen, weil er sich von der Amsel nicht fürchten muss. Die beiden Federtiere kommunizieren zusammen mit ihrer Gestik und ruhigen Bewegungen und ohne Laute von sich zu geben. Wie auf Kommando schütteln sich die beiden unterschiedlichen Vögel und fliegen daraufhin gemeinsam weiter durch den dichten Nebel über die Breitlig zum Bauernhaus im Eichelacher. Hier klärt sich, was die beiden miteinander zwitscherlos ausgetauscht haben. Hungrig machen sie sich auf dem dampfenden Miststock über vielfältige in der Feuchtigkeit tummelnde Insekten her. Erst nach einigen Augenblicken bemerken die beiden, einige Flügelschläge neben sich, den ebenfalls gierig fütternden Buchfinken. Ein wildes Hin- und Herhüpfen und um die fettesten Proteine kämpfendes Spiel entsteht zwischen den drei Vögeln. Als nach einer Weile alle mehr als genug von den immer noch zahlreich vorhandenen Krabbeltieren gespeist haben, tauschen sich die Vögel wieder mit allerlei Körperbewegungen aus, wobei jetzt eine gewisse Entspanntheit eintritt und die Tiere auch mit ihren unterschiedlichen Lauten für Ihre Meinung einstehen. Von einer Sekunde auf die andere fliegen alle Drei in die Luft und wieder wie ferngesteuert durch den stockdichten Nebel der Bahn entlang bis in’s Heidmoos, wo sich die Vögel zu anderen unterschiedlichen Artgenossen gesellen und auf den Antennen der Funkanlage niederlassen. Hier auf dem höchsten Punkt von Kernenried (521m ü.M.) dringen bereits einige wärmende Sonnenstrahlen durch den feuchten Schleier. Von einem durchberstenden Schnellzug erschreckt, flattern alle auf der Anlage platzierten Vögel in die Luft und stürzen sich scheinbar schutzsuchend in das dichte Nebelmeer. Ohne Halt fliegt die Schaar dem Waldrand entlang bis in die Grube im Büel, wo sich alle wieder auf den Bäumen und Sträuchern niederlassen. Der eine oder andere fliegt für kurze Zeit auf das garende Grünzeug und gönnt sich ein Häppchen Grünabfälle oder einen dicken Wurm. Es ist nun schon Nachmittag und der Nebel löst sich langsam auf. Die ersten Sonnenstrahlen erwecken die Vögel zu neuem Leben und ein buntes Gezwitscher erklingt wie ein klassisches Konzert in der frischen Natur nahe des Zielhangs vom Schützenhaus.
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